São Tomé ist ein noch verschlafenes Paradies an der Westküste Afrikas
São Tomé ist ein noch verschlafenes Paradies an der Westküste Afrikas


São Tomé – Wer an Afrika denkt, denkt vielleicht an Nigeria, Kenia, Mali oder Äthiopien, aber fast nie an einen kleinen Inselstaat im Golf von Guinea. Gemeint ist São Tomé und Príncipe. Die beiden namensgebenden Inseln liegen rund 200 Kilometer vor der Küste Afrikas westlich von Gabun und Äquatorialguinea. Nach den im Indischen Ozean liegenden Seychellen ist São Tomé und Príncipe das zweitkleinste Land Afrikas. Der seit 1975 unabhängige Kleinststaat hat eine Landfläche von etwa 960 Quadratkilometern und zählt rund 223.000 Einwohner. Mehr als 95 Prozent der größtenteils katholischen Bevölkerung lebt auf der Hauptinsel São Tomé mit der gleichnamigen Hauptstadt. Die Zweitinsel Príncipe wird von nur 7.000 Menschen bewohnt. Die Einwohnerschaft ist sehr jung: im Jahr 2020 waren 41,8 Prozent unter 15 Jahren. 2016 wurde Evaristo do Espírito Santo Carvalho zum Staatspräsidenten des präsidentiell-demokratischen Inselstaates gewählt. Er siegte mit dem Versprechen einer konsequenteren Korruptionsbekämpfung und besseren Regierungsführung.

Weil die Inseln Ende des 15. Jahrhunderts von portugiesischen Seefahrern entdeckt wurden, ist Portugiesisch bis heute Amtssprache auf São Tomé und Príncipe. Nach der Niederlassung der ersten Europäer etablierte sich eine effiziente Plantagenwirtschaft mit unterschiedlichen Monokulturen. Bis ins 18. Jahrhundert dominierte der Anbau von Zuckerrohr; im 19. Jahrhundert kam die Erzeugung von Kaffee- und Kakaobohnen dazu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galten die Inseln sogar als der weltgrößte Kakao-Produzent. Bis heute ist die Landwirtschaft mit ihren Hauptprodukten Kaffee, Kakao und Baumwolle der wichtigste Wirtschaftszweig. Aber noch immer lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, weil die eigene Wirtschaftsleistung so schwach ist. Deshalb wird auch 90 Prozent des nationalen Haushalts von internationalen Institutionen und anderen Staaten finanziert. Als größte Geldgeber sind der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, die USA, Portugal, Frankreich, Brasilien und die Europäische Union zu nennen. 

Der Wirtschaftsaustausch mit Deutschland ist ziemlich gering. So gibt es keine größeren deutschen Privatinvestitionen auf den Inseln. Einige Reiseunternehmen haben diese immerhin für Individualreisende und Ökotouristen entdeckt. Die deutsche Botschaft finanziert kleinere Projekte zur Förderung von Bildung und ländlicher Entwicklung. Mithilfe einer Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrkraft wurde eine Deutschabteilung an der dortigen Universität eingerichtet. Ein kaum bekanntes Detail der kurzen deutschen Kolonialgeschichte ist, dass São Tomé und Príncipe unter bestimmten Umständen zum deutschen Kolonialreich hätte kommen können. So unterzeichneten Deutschland und Großbritannien im August 1913 einen Vertrag, wonach die beiden Inseln im Falle einer portugiesischen Zahlungsunfähigkeit ans deutsche Kaiserreich fallen sollten. Der Vertrag wurde hinfällig, weil Deutschland mit der erzwungenen Unterzeichnung des Versailler Vertrages 1919 auch alle seine Kolonien verlor.

Nach der Unabhängigkeit von Portugal nahm São Tomé und Príncipe im Juli 1975 diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland und zur Deutschen Demokratischen Republik auf. Seitdem ist das Verhältnis der afrikanischen Insulaner zu Deutschland gut. Viele Führungskräfte studierten in der früheren DDR und fühlen sich dem einstigen Gastland innerlich immer noch verbunden. São Tomé unterhält enge Kontakte zu internationalen Organisationen und sucht die transnationale Wirtschaftskooperation. Die Beziehungen Deutschlands zu dem Inselstaat werden von einem ortsansässigen deutschen Honorarkonsul und von der eigenen Botschaft in der Hauptstadt Gabuns wahrgenommen.

Im Individualtourismus scheint die große Chance der beiden Inseln zu liegen. Der Schweizer „Tages-Anzeiger“ bewarb jüngst eine Leserreise dorthin mit diesen schwärmerischen Worten: „Der afrikanische Inselstaat São Tomé und Príncipe ist ein echter Geheimtipp für Reisende. Die Natur ist üppig grün und beeindruckt durch spektakuläre Fels- und Korallenformationen, Traumstrände und dichten Regenwald. Die Einheimischen sind überaus gastfreundlich und lassen Sie am Inselalltag und den jahrhundertealten Traditionen teilhaben. Die Inseln sind geprägt vom Kakao- und Kaffeeanbau.“

In der Tat gibt es für Touristen viel mehr zu entdecken als die Kaffee- und Kakao-Plantagen. An der Ostküste von São Tomé lockt „Boca do Inferno“ mit seiner atemverschlagenden Wasserfontäne. Vielerorts laden Traumstände wie 7 Ondas zum Baden und Schnorcheln ein. Auch außerhalb der Unterwasserwelt sind viele Geheimnisse der Tropeninsel zu entschlüsseln. Mit zertifizierten einheimischen Guides können Gäste den dichten Dschungel durchqueren und einzigartige Vogelarten beobachten. Angesteuert werden gerne der Naturpark von Príncipe und der Wasserfall Oquê Pipi. In Ribeira Izé fasziniert zwischen mächtigen Ceiba-Baumwurzeln die Steinruine einer christlichen Kirche. Die Touristen logieren oft in einem historischen Hotel, das früher das Haupthaus der größten Kakao-Plantage war. Überhaupt gibt es im Stadtzentrum von São Tomé viele schöne Kolonialgebäude zu bestaunen. Abgerundet werden viele Urlaube mit Besuchen bei Künstlern und Fischern sowie Bootsausflügen zu den naturbelassenen Stränden.

Ein Online-Reiseportal beschreibt São Tomé und Príncipe als „exotisches Familienparadies“ mit einem ganz eigenen Lebensgefühl: „Leve-Leve – langsam, langsam! Wer nach dem Motto der Einheimischen in das Inselparadies São Tomé und Príncipe eintaucht und die Langsamkeit genießen kann, ist hier am richtigen Ort – und dies sogar während der Hauptreisezeit im Juli.“ Weiter heißt es: „Das zweitkleinste Land Afrikas am Äquator lädt die Reisenden ein, sich ausgiebig zu erholen und die ursprüngliche Natur mit der üppigen, tropischen Vegetation, den menschenleeren Traumstränden und den herzlichen Bewohnern kennen- und lieben zu lernen.“

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